Photo by Hiroshi Makino

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In dem Tanzsolo “MUT” setzt sich die Motimaru Dance Company mit Fragen der Subjekt-Welt-Beziehung auseinander.

Wir betreten das kleine Studio des Acker Stadt Palastes in völliger Dunkelheit. In Dreiergrüppchen werden wir von einem Mitarbeiter mittels einer kleinen Taschenlampe zu unseren Sitzplätzen gelotst. Die Dunkelheit bringt maximale Aufmerksamkeit mit sich und gebannt erwarte ich die Wiedererlangung des Sehenkönnens. Die Stille, die mit der Dunkelheit einhergeht, lässt das Knarren des Holzbodens und die Töne der Klangschale, die jetzt umherwabern, besonders laut erscheinen. “How often I can’t see what is in front of me?”, heißt es auf dem Flyer zur Veranstaltung – eine Frage, die den Abend einläutet und gleichsam erlebbar wird durch das Sehenwollen, das eine regelrechte Dringlichkeit erlangt.

Langsam werden Umrisse sichtbar. Die Musikerin Hoshika Yamane, die den Abend mit ihrer live erzeugten Musik mitgestaltet, ist dezent am rechten Bühnenrand positioniert; die gesamte Länge der Bühne ist mit einer Art Baldachin aus Zeitungen abgehangen, der durch die Bewegung der Luft in sanftes Wogen versetzt wird. In der Mitte nur zu erahnen befindet sich die Tänzerin Tiziana Longo, die diese Choreografie entworfen hat, unter einem Haufen aus weiteren Zeitungen, die, wie sich später zeigt, zu einem Umhang zusammengefügt sind. Dieser Zeitungsberg bleibt zunächst ganz still, auch noch, als der Raum plötzlich und ohrenbetäubend von Stimmen erfüllt wird. Wir hören Donald Trump, der in rassistisch-menschenverachtender Manier gegen “the Mexicans” hetzt, wir hören Berichterstatter*innen, die Horrornachrichten aus aller Welt vermelden. Wie auf einer Pressekonferenz kommt dieser Stimmensturm nach und nach durch das Klicken der Kameraauslöser, die alles übertönen, zum Erliegen.

Das Thema der Performance scheint so zumindest teilweise gesetzt: Wie stehen wir eigentlich der Weltpolitik gegenüber oder auch einfach nur den Nachrichten, die zwar schrecklich sind, uns jedoch nicht dazu veranlassen, unsere Komfortzone zu verlassen, die abstrakt bleiben, sofern sie sich jenseits der persönlichen Betroffenheit abspielen.

Im Folgenden wird diese Frage nach der Wirkung der medialen Informationsflut auf die eigene Wahrnehmung mit persönlichen Geschichten von Frauen zusammengebracht, die als Ikonen gelten und die widersprüchlichen Gesichter unserer Gesellschaft zeigen sollen. Dies geschieht nicht mehr durch Einspielungen oder ähnliches, sondern nur durch den Tanz: der Fokus verschiebt sich nun ganz auf Tiziana Longo, die beginnt, sich unter dem Zeitungshaufen aufzubäumen, wieder zusammen sackt und schließlich in den Stand findet. Die eindringlichen Klänge, die Hoshiko Yamane zeitweise durch ausdauerndes Geigenspiel erzeugt, treten trotzdem in den Hintergrund, so fesselnd ist die körperliche Bewegung. Fast schamanenartig wirkt das bodennahe sich Wälzen unter dem Umhang, nicht erkennbar sind die Schritte, die Longo vollführt.

Bemerkenswert ist die tänzerische Ästhetik, denn sie ist so divers, wie die Frauen, um die es hier auch geht. Mal ist der Tanz wild und ungehemmt – etwa in einer der letzten Szenen, als sich die Tänzerin nackt im Zeitungsvorhang wälzt und ihre langen Haare fliegen lässt –, mal scheint der Tanz fast unbeholfen trippelnd, ohne dass sich ein verbindender Stil ausmachen lässt. Nur die Anklänge der japanischen Tanzform Butoh blitzen in den schamanenhaften, wilden und grotesken Momenten immer wieder durch, ohne die Performance hierauf festzulegen. Zwar lassen sich die Frauengestalten nicht unbedingt konkreten Persönlichkeiten zuordnen; anhand der verschiedenartigen tänzerischen Bewegung aber und der Kostüme, die von Ganzkörperverhüllung über Kleid bis hin zu Nacktheit mit High Heels reichen, lassen sich Frauenfiguren zuordnen, die gerade durch ihre körperliche Präsenz ins Verhältnis treten zu der Gesellschaft, deren Teil sie sind (oder gerade nicht).

Wir sehen hier eine andauernde Metamorphose des Tänzerinnen-Körpers, der umgeben von den Nachrichten, die über ihm knistern und wogen, sich zu diesen ins Verhältnis setzt. Betrifft es mich, wenn ich Donald Trumps sexistische Reden höre? Ja, scheint Longo uns zu zeigen, und formuliert körperlich, dass Informationen unabdingbar sind, um die eigene kritische Haltung zu stärken.

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English Translation

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Physical newspaper reading

In the dance solo “MUT” ​​the Motimaru Dance Company deals with questions of the subject-world relationship.

We enter the small studio of the Acker Stadt Palast in complete darkness. In groups of three we are guided to our seats by an employee using a small flashlight. The darkness brings maximum attention and I await the regaining of my ability to see, spellbound. The silence that comes with the darkness makes the creaking of the wooden floor and the sounds of the singing bowl, which now waft around, seem particularly loud. “How often I can't see what is in front of me?” Reads the flyer for the event - a question that rings in the evening and can be experienced through the desire to see, which becomes a real urgency.

Outlines slowly become visible. The musician Hoshika Yamane, who will help shape the evening with her live music, is positioned discreetly on the right edge of the stage; The entire length of the stage is hung from a kind of canopy made of newspapers, which is gently undulated by the movement of the air. In the middle you can only guess at the dancer Tiziana Longo, who designed this choreography, under a pile of other newspapers, which, as it turns out later, are put together to form a cloak. This mountain of newspapers remains completely silent at first, even when the room is suddenly and deafeningly filled with voices. We hear Donald Trump inciting against “the Mexicans” in a racist and inhuman manner, we hear reporters reporting horror news from all over the world.

The theme of the performance seems to be at least partially set: How do we actually face world politics or just the news, which is terrible, but does not cause us to leave our comfort zone, which remains abstract, provided that it is beyond the personal Play consternation.

In the following, this question of the effect of the flood of media information on one's own perception is brought together with personal stories of women, who are considered icons and are intended to show the contradicting faces of our society. This no longer happens through recordings or the like, but only through the dance: the focus now shifts completely to Tiziana Longo, who begins to rear up under the pile of newspapers, collapses again and finally finds herself standing. The haunting sounds, which Hoshiko Yamane occasionally creates through persistent violin playing, fade into the background, the physical movement is so captivating. The rolling under the cloak close to the ground seems almost shaman-like, the steps that Longo is taking are not recognizable.

The dance aesthetic is remarkable, because it is as diverse as the women we are talking about here. Sometimes the dance is wild and uninhibited - for example in one of the last scenes when the dancer rolls around naked in the newspaper curtain and lets her long hair fly - sometimes the dance seems to tremble almost clumsily, without a connecting style being discernible. Only the echoes of the Japanese dance form butoh flash through again and again in the shamanic, wild and grotesque moments, without defining the performance. It is true that the female figures cannot necessarily be assigned to specific personalities; However, based on the various dance movements and the costumes, which range from full body covering to dress to nudity with high heels, female figures can be assigned,

Here we see an ongoing metamorphosis of the dancer's body, which, surrounded by the news that crackles and sways above it, relates to it. Does it affect me when I hear Donald Trump's sexist speech? Yes, Longo seems to show us, and formulates physically, that information is indispensable in order to strengthen one's own critical attitude.